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Artikel: So entstand die evidenzbasierte Medizin. BrainMag 2-2023

Karrer T.
Von der Studie zur Evidenz. So entstand die evidenzbasierte Medizin
BrainMag 2-2023, S.54-56
SkinMAG 3-2023, S.39-41

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Die evidenzbasierte Medizin (EbM) ist ein jüngeres Kapitel der Wissenschaftsgeschichte. Moderne Informationstechnologien und der globale Zugang zu Wissen befeuerten die Entstehung der EbM. Zentral bleiben die Patientenperspektive und die ärztliche Expertise. Der Artikel sowie viele weitere können auch auf www.mededition.ch gelesen werden.

Lesen Sie auch den Artikel: Was ist eine Evidenzpyramide und wozu ist sie gut?

Tanya Karrer für BrainMag 2-2023

Evidenzbasierte Medizin | Evidenzbasierte Praxis | Wissenschaftsgeschichte | Medizingeschichte


FAQ: Entstehung und Grundlagen der Evidenzbasierten Medizin (EbM)

1. Was ist unter der Evidenzbasierten Medizin (EbM) zu verstehen und welche Komponenten umfasst sie?

Die Evidenzbasierte Medizin (EbM) ist ein Konzept, das die herkömmliche ars medica (Heilkunst) infrage stellte. Die Medizin basierte bis dahin auf Expertenmeinungen, Erfahrungen und einem autoritären Urteil. Im Gegensatz dazu setzt die neue EbM nicht nur auf das Können der Ärzt:innen und die ärztliche Expertise, sondern auch auf die Sicht der Patient:innen und die wissenschaftliche Beweislage, die sogenannte Evidenz. Evidenz bedeutet die Aussagekraft über die Wirksamkeit einer Behandlung, belegt durch Studien und Versuche.

2. Wann wurde der Begriff «Evidence-based medicine» geprägt und wie wurde er aufgenommen?

Der kanadische Arzt David Sackett und seine Mitautoren erklärten den Begriff «Evidence-based medicine» im Januar 1996 im renommierten British Medical Journal. Obwohl der Ausdruck schon einige Jahre durch Kliniken und Forschungsinstitute geisterte, empfanden einige Ärzt:innen den Ansatz als Affront gegen ihre Heilkunst und befürchteten, dass die Medizin damit zum simplen Kochbuch verkommen könnte. Andere wiederum empfanden Erleichterung über die Aussicht, rascher medizinische Entscheidungen treffen zu können.

3. Welche historischen Entwicklungen ermöglichten die Entstehung der modernen EbM?

Obwohl Experimente und Vergleiche von Therapien bereits aus vorchristlicher Zeit bekannt sind, brachten erst die Entwicklungen des 20. Jahrhunderts die nötigen Stützen für die EbM hervor. Dazu zählen statistische Verfahren, neue Studiendesigns sowie der weltweit zugängliche Austausch wissenschaftlicher Information über Fachzeitschriften. Ergänzt wurde dies durch moderne Informationstechnologien wie Datenbanken und das Internet.

4. Welches Studiendesign gilt als besonders aussagekräftig und wer war der historische Pionier?

Als Studiendesign mit hoher Aussagekraft gilt die randomisierte kontrollierte Studie (RCT) (randomized controlled trial). Bei dieser Studie wird eine Gruppe von Patient:innen mit bestimmten Eigenschaften nach dem Zufallsprinzip in Gruppen eingeteilt, von denen eine Gruppe die Intervention und die andere eine Vergleichsbehandlung oder Placebo erhält. Als Erfinder dieses Studientyps gilt der schottische Seefahrer und Chirurg James Lind. Er führte Mitte des 19. Jahrhunderts auf See eine kontrollierte Studie zur Behandlung von Skorbut durch, indem er zwölf Patienten, die «so gleich wie nur möglich» waren, in Paare einteilte und ihnen verschiedene Mittel verabreichte; das Paar, das Zitrusfrüchte erhielt, erholte sich.

5. Welche Studientypen liefern gemäss der Evidenzpyramide die höchste Aussagekraft?

Die Evidenzpyramide ordnet Studientypen nach der Qualität der Evidenz. Die Idee der EbM ist: Je umfassender und qualitativ hoch stehender die Studien, desto zutreffender die Aussage zur Wirksamkeit einer Therapie. Die höchste Evidenz, also die beste Aussagekraft, liefern Meta-Analysen und Systematic Reviews (systematische Übersichtsarbeiten), zusammen mit Guidelines und Health Technology Assessment Reports. Systematic Reviews werten mehrere Studien zur selben Fragestellung aus, während Metaanalysen darüber hinaus statistische Verfahren anwenden, um die Resultate zu verrechnen und auszuwerten.